Selbstverständnis & Awareness

Wir, die Initiative My Body Is Not Your Porn, haben uns Anfang 2020 gegründet, um öffentlichkeitswirksam auf Sexismus und sexualisierte Gewalt aufmerksam zu machen und eine konstruktive Auseinandersetzung mit diesen Themen zu fördern. Wir verstehen uns als ein feministischer Zusammenschluss, denen ein intersektionaler Zugang zur Auseinandersetzung mit Gewalt und Diskriminierung sehr wichtig ist. Wir selbst sind allerdings vorwiegend weiß, cis weiblich, akademisch gebildet und ohne körperliche Beeinträchtigungen. Wir hoffen, dass sich Personen, die nicht unsere Privilegien teilen, trotzdem und insbesonders von unserem Aufruf zum Social Hackathon angesprochen fühlen und mitmachen. Wir sehen unsere Positionen innerhalb gesellschaftlicher Machtverhältnisse kritisch und unterstützen einen gesellschaftlichen Wandel hin zur Überwindung eben dieser.

Immer wieder erfahren wir, dass Fälle von Sexismus und sexualisierter Gewalt skandalisiert und Übergriffe als Einzelfälle betrachtet werden. Meist wird der Fokus auf Täter:innen gerückt und die Betroffenen bleiben allein mit der Verletzung zurück. Wir wollen die Bedürfnisse und Belange derer in den Mittelpunkt rücken, die Gewalt erfahren (haben). Denn mit der aktuellen medialen Strategie ist kein langfristiger Diskurs und keine tatsächliche Verbesserung für die Situation (potenziell) Betroffener in Sicht. Wir erkennen an, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt überall passiert und dass alle Personen zu Täter:innen werden können – auch an Orten mit emanzipatorischem Anspruch.

Darum regen wir (mit diesem Projekt des Social Hackathons und darüber hinaus) dazu an, alle Bereiche von Festivals kritisch zu beleuchten: von der Bühne, über die Technik bis hin zur Festival-Crew. Wir wünschen uns, dass sich Festivals ihrer Verantwortung nicht durch ausgelagerte Sicherheitsmaßnahmen entziehen. Awareness-Teams sind ein guter Start, aber um Sexismus und sexualisierte Gewalt auf Festivals einzudämmen, benötigt es viel mehr als das. Wir wünschen uns, dass Veranstalter:innen sich Awareness nicht nur auf die Fahne schreiben, sondern in alle Bereiche des Festivals einfließen lassen. Nur so kann die Verantwortung von den Schultern (potenziell) Betroffener genommen und gemeinsam Awareness gelebt werden.

Wir glauben, dass es einen Diskurs auf Augenhöhe zwischen Festivals und Besucher:innen braucht, um Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten miteinander auszuloten. Darum stellen wir beim Social Hackathon einen Rahmen zur Verfügung, in dem ein Austausch zwischen Veranstalter:innen, (potenziell) Betroffenen und allen anderen Festival-Interessierten stattfinden kann. Teilnehmer:innen kommen hierarchiefrei und unabhängig ihrer Erfahrungen und Expertisen in Gruppen zusammen und erarbeiten gemeinsam Lösungsansätze. Wir als Initiative sehen uns dabei nicht in der Rolle von Dienstleisterinnen, die ein kostenfreies Bildungsprogramm zusammenstellen; stattdessen wird der Social Hackathon von der Eigeninitiative der Teilnehmer:innen leben.

Warum der Name My Body is not Your Porn?

Wir haben unsere Arbeit unter dem Namen My Body Is Not Your Porn begonnen als Kampfbegriff gegen heimlich aufgenommene Videos von unseren Körpern. Wir wollen damit ausdrücken, dass wir den ohne unsere Erlaubnis angefertigten Bildern und Videoaufnahmen widersprechen, die als Porno verkauft oder von den Täter:innen angesehen werden. Mit diesem Slogan wollen wir deutlich machen, dass wir selbst entscheiden möchten, wann und wer Pornos produzieren oder selbst daran mitwirken kann. Das heißt, wir benutzen den Begriff Porn lediglich in Anlehnung an den von Täter:innen gezielten Zweck solcher unfreiwilligen Aufnahmen und deren Verbreitung. Wir weisen darauf hin, wie wichtig es ist, diese unfreiwilligen Aufnahmen als bildbasierte sexualisierte Gewalt zu benennen. An dieser Stelle möchten wir uns insbesondere mit Sexworker:innen, Pornoproduzent:innen und Darsteller:innen solidarisieren. Oft müssen diese Berufsgruppen mit der Stigmatisierung kämpfen, dass die von ihnen produzierten Aufnahmen als nicht freiwillig oder selbstermächtigt verstanden werden. Es ist nicht unsere Absicht, dieses Stigma durch den Titel unserer Initiative zu reproduzieren. Unser Anliegen ist es, Sexismus und sexualisierte Gewalt klar zu benennen und dabei gleichzeitig sexpositive und selbstermächtigende Stimmen zu stärken.

Awareness bedeutet für uns Achtsamkeit und respektvoller Umgang sich selbst und anderen gegenüber, aufeinander Acht geben und sich gegenseitig unterstützen, Grenzen wahren, aktiv gegen diskriminierendes und rücksichtsloses Verhalten vorgehen. „To be aware“ heißt auf deutsch „sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Problematiken sensibilisiert sein“. Bei einem Awareness-Konzept geht es kurz gesagt darum, dass sich alle während beispielsweise einer Veranstaltung wohlfühlen können.

Während des Hackathons tolerieren wir keine Art von diskriminierendem Verhalten und möchten gemeinsam einen Raum schaffen, in dem wir uns alle möglichst sicher fühlen können. Wir sind alle gemeinsam dafür verantwortlich, dass sich hier alle wohl fühlen! Niemand soll diskriminierende Verhaltensweisen erleben müssen.

Sollte so eine Situation dennoch entstehen, bist du als Teilnehmer:in auch aufgefordert zu handeln. Generell sind alle Menschen während des Hackathons dafür zuständig, aufeinander zu achten und in so einer Situation gegebenenfalls zu reagieren. Während des Hackathons wird es auch ein Awareness-Team geben, das dir online zur Seite steht. Die Unterstützung der Betroffenen bei grenzüberschreitendem Verhalten steht bei uns an erster Stelle. Wenn du eine problematische Situation erlebst oder beobachtest, sprich uns an und wir unterstützen dich!

Es ist die Aufgabe des Awareness-Teams auf die Bedürfnisse der betroffenen Person – sofern diese es wünscht – einzugehen und den weiteren Umgang mit der Situation zu besprechen. Auch wir als Veranstaltende setzen uns mit dem Bestmöglichen dafür ein, sind uns jedoch bewusst, dass wir nicht immer die ultimative Lösung parat haben. Wir bemühen uns aber gemeinsam mit dem Awareness-Team um diese. Uns ist klar, dass wir keine vollständige Sicherheit garantieren können. Jedoch haben wir den Anspruch, ansprechbar zu sein und Unterstützung zu geben.​​​